Der leise Zweifel: Doping im Radsport 

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Es ist ein ständiger Begleiter. Ein leiser Verdacht. Ein Zweifel, der immer mitfährt. Im Peloton zwischen den Fahrern, in den Köpfen des Publikums zu Hause und denen der Journalisten vor Ort. Die Frage nach den Spritzen. Den Blutbeuteln. Den Pillen und Tabletten. Die omnipräsente Frage, ob im Radsport nach skandalträchtigen Jahren mittlerweile alles mit rechten Dingen zugeht.

„Früher konnte man mit Doping gewinnen – heute nur noch verlieren!“

Und dabei tuen sie wirklich alles, die Teams, die Manager, die Fahrer. Für ihren Sport natürlich, und gegen den Zweifel – nicht für den Sieg! Während man früher von den Fahrern als „rollende Apotheken“ sprach, sollen es heute alleine diszipliniertes Training, gesundes Essen und innovative Trainingsmethoden richten.

Während man früher mit Doping gewinnen konnte, kann man heute nur noch verlieren. Das sagt zumindest der Teamarzt aus dem Rennstall von Tony Martin.

Öffentliche Berichterstattung nimmt langsam wieder zu

Der Radsport ist gut beraten, in seine Sauberkeits-Offensive zu investieren. Die Zuschauerzahlen waren lange rückläufig, das große Interesse abseits der harten Radfahr-Szene? Kaum noch existent. Während die öffentlich-rechtlichen Sender früher die Tour de France live und in Farbe übertrugen, ist die Berichterstattung in den letzten Jahren kaum mehr als eine Randnotiz in den Nachrichten gewesen. Erst 2015 stieg Das Erste wieder vorsichtig ein. Ausschlaggebend waren damals „Die ernsthaften Bemühungen des Radsports gegen Doping“. Nach Jahren der Abstinenz, ist das erste deutsche Fernsehen mittlerweile wieder live mit von der Partie. Die Zeit der öffentlichen Abstrafung des Radsports, sie scheint sich ihrem Ende zu nähern.

„Es ist mittlerweile unmöglich zu betrügen“ – PR-Arbeit im Radsport? Erstklassig!

Und nicht nur „Das Erste“ gibt der Tour eine Chance, auch andere Medien blicken wieder deutlich gelassener, mit wiederkehrendem Optimismus, auf das spektakulärste Radrennen der Welt. Die „NoSports.“ aus dem Hause „11Freunde“ titelte in ihrer letzten Ausgabe „Ein Mythos erstrahlt in neuem Glanz“.

Die beständige PR-Arbeit, die ausdauernde Wiederholung des „Wir haben aus unseren Fehlern gelernt“, sie scheint zu fruchten. Auch wenn der Bogen mit Aussagen von ehemalig verwickelten und immer noch aktiven Ärzten („Der Radsport ist die sauberste Sportart“), gelegentlich etwas überspannt wird.

Tatsächlich aber hat sich etwas getan im Radsport. Mit über 11.000 Dopingproben pro Jahr, rangiert die Branche auf Platz Nummer 2, direkt hinter der Leichtathletik. Neue Anti-Doping-Strategien wie das „ADAMS-System“, machen aus dem Radprofi einen gläsernen Athleten. Mit täglichen Meldungen über Aufenthaltsort, live per App an die Kontrolleure der WADA übermittelt, ziehen sich die Maschen des Anti-Doping-Kampfes enger um den Sportler. Die Ungewissheit jeden Tag in eine umangekündigte Trainingsprobe zu geraten, die langfristige Überprüfung der Blutwerte mit dem „biological passport“ – die Gefahr aufzufliegen ist wohl größer denn je.

Dennoch: Der Anreiz ist nach wie vor da!

Der Anreiz allerdings ist immer noch vorhanden. Während die Top-Fahrer im Jahr Millionen verdienen, landen bei den vielen Helfern und weniger bekannten Athleten am Ende des Jahres nur Bruchteile dieser Summen auf dem Konto. Gleichzeitig sind es genau diese Sportler, die weniger häufig kontrolliert werden als die absolute Weltspitze. Die Aussicht, sich mit verbotenen Präparaten nach ganz oben zu schieben, sie dürfte für viele Fahrer auch heute noch verlockend sein.

Auch deshalb sind die Teams vorsichtiger geworden, lehnen mittlerweile Fahrer mit unregelmäßigen Blutwerten auch mal ab. Dazu kommt der Druck der Sponsoren. Schon ein einziger positiver Dopingfall im Team, kann eine ganze Mannschaft zerstören. Das können sich die Rennställe, auch aus finanzieller Sicht, nicht mehr leisten.

Auch die Sponsoren, sowohl der Teams als auch der Tour, sind den ewigen Eskapaden, dem beständigen Fall der Radsporthelden, langsam aber sicher überdrüssig geworden. Das sichere Taumeln von einem Dopingskandal in den nächsten, es sorgte nicht nur für einen Verlust der Glaubwürdigkeit, es sorgte ebenfalls für einen Verlust der Einnahmen. Doping ist schlichtweg schlecht für das Geschäft!

Und so ist es vielleicht eher das schwächelnde Geschäft als die sinkende Glaubwürdigkeit, die letztendlich zu einem Umdenken geführt hat. Die Erkenntnis, dass man sich durch die ständigen Negativschlagzeilen der eigenen Geschäftsgrundlage beraubt.

Die Ära Armstrong lebt im Radsport weiter

Trotz dieses vermeintlichen Umdenkens, der gebetsmühlenartigen Beteuerung mittlerweile sauber zu fahren, ist das Misstrauen immer noch da. Nicht nur weil es immer noch Dopingsünder gibt, die munter weitermachen mit den altbekannten Strategien. Auch, weil einfach noch zu viele Akteure der vergangenen Jahre an den entscheidenden Positionen sitzen. Egal ob es Mannschaftsärzte, Funktionäre oder Renndirektoren sind, entscheidende Persönlichkeiten aus der „Ära Armstrong“, sind auch heute noch aktiv.

Bessere Leistungen als in der Armstrong Ära, ganz ohne Hilfsmittel? Das scheint schwer vorstellbar, wenn man bedenkt, wie die Leistungen der damaligen Athleten zu Stande kamen.

Und so wird er auch dieses Jahr wieder mitfahren, der ständige Begleiter, der leise Zweifel. Der Verdacht, dass es eben doch noch nicht ganz sauber zugeht im Radsport.

Auf drei Wochen spannende Radrennen, den Mythos der Tour de France, kann man sich hoffentlich trotzdem ein bisschen freuen.